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Goethe, Wittgenstein und die Welt der Farben
von Günter Kollert |
Im Sinne von Wittgensteins Unterscheidung zwischen der "anregenden" und "aufregenden" Wirkung des Farbenrätsels wird die aufregende Polemik Goethe-Newton zugunsten der anregenden Konvergenz Goethe-Gauss zurückgestellt: Beide erweisen sich als Symptome einer äußerst spannenden, bewusstseinsgeschichtlichen Wende.
EAN 9783932386978
Hersteller: Info 3
»Welche herrliche Welt: Der Himmel ist blau + 2 x 2 vier!«
WITTGENSTEIN
»Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik.«
GOETHE
Dieser Grundriss der Farbentheorie greift zwei Projekte Goethes aus dem aktuellen Stand der Forschung auf: Einerseits das »Kompendium« der Farbenlehre, welches er am Ende seines Lebens ausgeführt sehen wollte, und zum anderen sein Anliegen, »die Farbenlehre dem Philosophen zu nähern.«
Die von Ludwig Wittgenstein veranlagte »Logik der Farbbegriffe« schließt eine bisher kaum beachtete Lücke im Werke Goethes. Sie ermöglicht es, die »Chromatik« oder Lehre von der konkreten Farbempfindung in den Mittelpunkt des Kompendiums zu stellen und die Schnittstellen zwischen der Chromatik und ihrem von Goethe stets mitgedachten physikalischen, organischen und metaphysischen Umfeld auf ihre Tragfähigkeit hin zu befragen.
Im Sinne von Wittgensteins Unterscheidung zwischen der »anregenden« und »aufregenden« Wirkung des Farbenrätsels wird die aufregende Polemik Goethe-Newton zugunsten der anregenden Konvergenz Goethe-Gauss zurückgestellt, und beide erweisen sich als Symptome einer bewusstseinsgeschichtlichen Wende. Beiläufig ergeben sich Lösungen für die sieben sogenannten »Farbrätsel« im Werk Wittgensteins.
Der Annäherung an die Philosophie dienen einleitende Überlegungen zur Erkenntnistheorie, Ontologie und Phänomenologie der Farbe, sowie der abschließende Entwurf einer »Metachromatik«, deren Gegenstand das Verhältnis der Farbe zu Form, Bild und Bewusstsein ist.
Inhalt
Vorwort
Vom Friedensbund zum Weltgericht
1. Zur Philosophie der Farbe
1.1 Bewusstseinsgeschichte
1.1.1 Polemik und Apologie
1.1.2 Die Physiker
1.1.3 Goethe und Gauß
1.1.4 Immanenz und Transzendenz
1.2 Phänomenologie
1.2.1 Zwischen Romantik und Positivismus
1.2.2 Vom Farbreiz zur Farberscheinung
1.2.3 Der Logos der Erscheinungen
1.2.4 Synopse der bunten Farberscheinungen
1.2.5 Synopse der unbunten Farberscheinungen
1.3 Ontologie
1.3.1 Objektivität und Subjektivität
1.3.2 Qualität und Quantität
1.3.3 Ewald Herings »Lehre von den Sehdingen«
1.3.4 Reine und angewandte Farbentheorie
2. »Chromatik«
2.1 Reine Farbentheorie
2.1.1 Farbenordnung
2.1.1.1 Wittgensteins Rätsel
2.1.1.2 Zur Typologie der Farbkreise
2.1.1.3 Paul Klee über Farbkreis und Regenbogen
2.1.1.4 »Farbenscheibe« und »Farbenkugel« nach Runge
2.1.1.5 Das Farbenoktaeder
2.1.2 Farbenlogik
2.1.2.1 Farbreichweite und Dominanz
2.1.2.2 Das System der Farbenlogik
2.1.2.3 Die sechs Dimensionen der Farbenordnung
2.1.2.4 Die »Idee Farbe«
2.2 Angewandte Farbentheorie
2.2.1 Mischung
2.2.1.1 Goethes Lehre von der Mischung
2.2.1.2 Überhellung, Unterschattung und Vergrauung
2.2.1.3 Partitive, additive und subtraktive Mischung
2.2.1.4 Synopse der Mischprozesse und Mischebenen
2.2.1.5 Mischung und Farbenlogik
2.2.1.6 Neutralisation und Komplemenz
2.2.1.7 Zur Praxis der Mischung
2.2.2 Kontrast
2.2.2.1 Das Problem der farbigen Schatten
2.2.2.2 Zur Systematik der simultanen Kontraste
2.2.2.3 Assimilation
2.2.2.4 Das Doppelantlitz des Grau
2.2.2.5 Emergenz
2.2.3 Die Farbempfindung
2.2.3.1 Sukzessivkontrast und subtraktive Mischung
2.2.3.2 Farbkonstanz
2.2.3.3 Die Unbuntreihe als Grenzbereich
2.2.3.4 Farben unter Farben
3. »Farbenlehre«
3.1 Polarität
3.1.1 Metaphysik
3.1.2 Licht und Finsternis
3.1.3 Polarität und Dualität
3.1.4 Die Farben im Spektrum
3.1.5 Totalität und Produktivität
3.2 Steigerung
3.2.1 »Materie und Geist«
3.2.2 »Der Ausdruck Trüb«
3.2.3 Das Urphänomen
3.2.4 Der genetische Farbkreis
3.2.5 »Himmlische und irdische Ausgeburten«
4. Metachromatik
4.1 Der Kosmos der Farben
4.1.1 Goethe und Humboldt
4.1.2 Das Spektrum der Farbenwelt
4.2 Farbe und Raum
4.2.1 »Der Raum ist eine Idee«
4.2.2 Das Spektrum der Formenwelt
4.3 Farbe und Bewusstsein
4.3.1 Das Rätsel des »durchsichtigen« Weiß
4.3.2 Mit Wittgenstein im Kino
4.3.3 Die Welt im Tropfen
4.3.4 Das Spektrum der Bilderwelt
Nachwort
»Grenzen der Menschheit«
Zusammenfassung
Literatur
Über den Autor:
Günter Kollert,
geboren 1949 in Nürnberg;
erste Kindheit in Lissabon und in Angola.
Nach dem Studium der deutschen und russischen Philologie und einer theologischen Seminarausbildung elf Jahre als Pfarrer in Sao Paulo tätig, nebenbei als Herausgeber von Texten Lessings, Goethes, Novalis’ und Fichtes in portugiesischer Sprache.
Veröffentlichungen in deutscher Sprache:
Der Gesang des Meeres – Die portugiesischen Entdeckungsfahrten als Mythos der Neuzeit (1997);
Höher als der Turm von Babel – Ursprung und Zukunft der Sprache (2000);
Das Ich als Meister der Seele. Erfahrungsseelenkunde für jedermann (2003).
Die Apokalypse des Denkens – zur Krise des Intellekts (2006).
132 Seiten, 28 Abb., davon 8 in Farbe, Broschur
EUR 19,80
ISBN 978-3-932386-97-8