Emil Molt 1876 1936
Tun, was gefordert ist
von Dietrich Esterl |
Die erste Biographie des Begründers der Waldorfschule
EAN 9783867830263
Hersteller: Info 3
Weltweit existieren über tausend Waldorfschulen, und die Initiativen für Neugründungen sind noch lange nicht an ihre Grenzen gestoßen. Tausende Kinder werden jährlich eingeschult oder verlassen nach Jahren, bereichert und orientiert für ihr ferneres Leben, diese Schulen. Das verdanken sie nach den historischen Tatsachen einer Persönlichkeit, an deren Leben und Wirken kaum noch erinnert wird: Emil Molt!
Er war Direktor der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik in Stuttgart und wollte für die Kinder seiner Arbeiter eine eigene Schule gründen. Mit dieser Absicht wandte er sich an Rudolf Steiner, der in der Folge die pädagogischen Grundlagen schuf. Emil Molt aber war und blieb die treibende Kraft dieser ersten Waldorfschule, der Unternehmer, der in diesem Kontext sein Vermögen verlor, ihr aber durch alle Höhen und Tiefen die Treue hielt; und vor allem den aufkommenden nationalsozialistischen Tendenzen zur Übernahme die Stirn bot.
Emil Molt gehörte der erstaunlich großen Gruppe von Unternehmern an, die sich in den ersten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts mit der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden haben. Ihnen ging es über das Erkenntnisstreben hinaus um die tätige Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie erkannten in den Auswirkungen von Nationalismus, kapitalistischem Imperialismus, Bolschewismus die Gefahren einer für die Kultur bedrohlichen Entwicklung. Nach dem Ersten Weltkrieg setzten sie sich für die von Steiner entwickelten Ideen zu einer Neuordnung durch eine »Dreigliederung des sozialen Organismus« ein. Emil Molt, war in diesem Kreis die aktivste und wirkungsvollste Persönlichkeit. Er ist der Vater einer inzwischen weltweiten Schulbewegung. Andere Initiativen im Bereich eines kooperativen Wirtschaftens scheiterten. Die tragischen Konsequenzen für sein persönliches Schicksal und für die allgemeine Entwicklung bis in die globalen Krisen der Gegenwart sind Anlass, die historischen Zusammenhänge jener Zeit neu zu befragen.
Der Autor legt unter Heranziehung auch bisher unbekannter Quellen die erste Biographie einer Persönlichkeit vor, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus ureigener Tatkraft einen weitreichenden kulturellen Impuls verwirklicht hat, der nicht nur für die Gegenwart seine außerordentliche Bedeutung unter Beweis gestellt hat, sondern vor allem auch für kommende Generationen Maßstäbe setzen kann.
INHALT
AUFSTIEG UND ERFOLG
- Herkunft und Werden
- Kindheit
- Lehrjahre in Calw
- Griechenland
- Stuttgart. Die Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik
- Lebensmitte: Der private Raum
- Der Erste Weltkrieg.
AKTIONEN UND KRISEN
- Die Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik nach 1918
- Die Moltke-Aktion
- Die Gründung der Waldorfschule
- Der Geländekauf
- Die Genehmigung
- Die Eröffnung
- Das erste Schuljahr
- Erste Krisen
- Eine Berufung
- Emil Molt und Emil Leinhas
- »Dreißigerkreis« und Anthroposophische Gesellschaft.
- Probleme der Zusammenarbeit
- Das Jahr 1922 – Abbruch und Kontinuität
- Die Christengemeinschaft
- Der Schulvater
- Das Ende der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik
- 10 Jahre Waldorfschule
- Interne Krisen.
LETZTE HERAUSFORDERUNGEN
- Emil Molt als »Protektor« der Schule gegen den Nationalsozialismus
- Das Lebensende.
BLICKE AUS DER DISTANZ
- Emil Molt in den Augen seiner Mitarbeiter
- Der Lebenslauf als Tragödie. Versuch einer Biographie-Gestalt
- Was wollte Rudolf Steiner?
- Rückblick – Umblick – Vorblick.
ANHANG
- Vortrag, gehalten von Herrn Kommerzienrat Molt am Studienabend den 14. Juli 1920 über »Die Dreigliede-rung und die Gegenwartslage«
- Ansprache an die Belegschaft
- Die Waldorf-Bücherei
- Molt: meine Orientreise
- Anmerkungen
- Namensregister
- Kurzbiographien.
VORWORT
Emil Molt war der Gründer der ersten Waldorfschule in Stuttgart. Als Direktor der »Waldorf-Astoria-Company m.b.H. Cigarettenfabrik Hamburg-Stuttgart« wollte er für die Kinder seiner Arbeiter das Menschenrecht auf gleiche Bildung für alle verwirklichen. Die Leitung dieser von vornherein als Modell gedachten Bildungsanstalt übertrug er Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie. Die Schulgründung war eingebettet in die sozialreformerischen Aktivitäten Rudolf Steiners nach dem Ersten Weltkrieg, für die sich Emil Molt intensiv einsetzte. Die Waldorfschule sollte in Inhalt und Methodik frei von staatlicher Bevormundung arbeiten und für alle Kinder zugänglich sein. Emil Molt hat für diese Gründung einen Großteil seines Vermögens eingesetzt. Am 7. September 1919 wurde die Schule eröffnet und wuchs in wenigen Jahren zur größten Schule Stuttgarts. Im Jahr 2011 gibt es in Deutschland 210 Waldorfschulen, weltweit über 1000 auf allen Kontinenten, ein Vielfaches an Kindergärten, Heilpädagogischen Instituten und Ausbildungsstätten, die aus diesem Keim erwachsen sind.
Emil Molt hat die Schulgründung als den Höhepunkt seines Lebens betrachtet. Den Weg dorthin hat er am Ende seines Lebens in drei autobiographischen »Entwürfen« beschrieben. Sie wurden erst 1937/38 nach seinem Tod in drei Heften als Privatdrucke kurz vor dem Verbot der Waldorfschule in Stuttgart veröffentlicht und sind kaum bekannt geworden. Erst 1972 erschien eine Buchausgabe »Emil Molt, Entwurf meiner Lebensbeschreibung« mit Ergänzungen von Johannes Tautz, die aber vor allem für die Zeit nach 1922 unvollständig blieb. Es gibt also erstaunlicherweise keine vollständige Darstellung zum Leben dieses Pioniers der Anthroposophischen Bewegung. So sind ein tragischer Bruch in seiner Biographie und die Bedeutung seiner letzten Lebensjahre kaum beachtet worden.
Im Rückblick wollte Molt in seinem Leben Erreichtes und Gescheitertes klären. Er war geleitet von dem Willen, »in der Zeitenwende nicht abseits zu stehen, sondern mit seinen, wenn auch schwachen Kräften an der Gestaltung der Verhältnisse mitzuwirken. Das geschah von meiner Seite aus so elementar und ursprünglich, dass offensichtlich etwas Schicksalhaftes dahinter verborgen gewesen sein musste«.
Molts Leben ist nach großen Erfolgen als Unternehmer von harten Rückschlägen getroffen worden. Schließlich verlor er seine Firma, blieb seiner Schule aber zutiefst treu. Diese Treue schuf die Voraussetzung für die weltweite Ausbreitung der Pädagogik Rudolf Steiners seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zudem spiegelt sein Leben die Dramatik des 20. Jahrhunderts zwischen Kräften, die Erde und Menschen in ihrer Existenz bedrohen, und neuen Kulturimpulsen für eine bessere Zukunft. […]
DIETRICH ESTERL
Über den Autor:
Dietrich Esterl,
geboren 1934. 1945 Schüler der Waldorfschule in Stuttgart. Studium der Geschichte, Germanistik, Altphilologie, Philosophie und Politologie in Tübingen. Rückkehr an die Schule als Oberstufenlehrer. Tätig in der Lehrerbildung, in den Organisationen des Bundes der Freien Waldorfschulen, in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.
344 Seiten, 118. z.T. farbige Abb., gebunden
ISBN: 978-3-86783-026-3