Der Fall Arnolfini: Auf Spurensuche in einem Gemälde von Jan van Eyck
von J.-Ph. Postel / C. Unewisse / D. Pennac |
Sie reichen sich die Hände. Doch ihre Blicke gehen aneinander vorbei. Hat Jan van Eyck auf diesem Bild wirklich das Ehepaar Arnolfini dargestellt, wie der 1857 aufgekommene Titel The Arnolfini Portrait es nahelegt?
EAN 9783772530036
Hersteller: Freies Geistesleben
Selten ist eine Bilderkundung so spannend gewesen wie diese von Jean-Philippe Postel, der mit präzisem Blick und viel Sinn für Mehrdeutigkeit einen eigenen Weg einschlägt.
Rezension
Selten nur wird man Zeuge der Enträtselung eines Gemäldes, die einen bis zum Schluss in Atem hält angesichts der Details und der sich entschlüsselnden Enigmata, die der französische Arzt Jean-Philippe Postel bei der Betrachtung eines der rätselhaftesten Gemälde der flämischen Malerei zu Beginn der Neuzeit uns in diesem Buch vor Augen führt.
Es handelt sich um das Porträt eines Paares, das den Familiennamen Arnolfini trägt, und das Jan van Eyck, wie es die Bildinschrift verrät, im Jahr 1434 gemalt haben soll. Und hier beginnt eines der zahlreichen Rätsel, die uns dieses Bild aufgibt, denn die Bildinschrift sagt nicht: »Jan van Eyck hat dies 1434 gemalt«, sondern: »Jan van Eyck ist 1434 hier gewesen«.
Stellt das Porträt also ein Selbstporträt van Eycks und seiner Frau Margareta dar? Nein, denn sowohl von seiner Frau wie von ihm selbst gibt es verbürgte Porträts, und da sehen die beiden deutlich anders aus. Und warum trüge das Bild dann den Namen der Familie Arnolfini?
Warum scheint die Frau auf dem Bild schwanger zu sein? Warum hält der Mann ihre Hand, schaut sie dabei aber nicht an, sondern hält vielmehr seine andere Hand wie zum Schwur erhoben? Und was spiegelt sich in dem hinter dem Paar an der Wand hängenden Spiegel?
Jedes Detail des Bildes wird von dem durch klinische Beobachtung geschulten Blick Postels genauestens ins Auge gefasst und durch Ausschnittsvergrößerungen dem Leser vor Augen geführt, wobei wir zugleich eine Fülle historischer, ikonografischer und kunstgeschichtlicher Bezüge vermittelt bekommen.
All das wird von Postel in die Form einer geradezu kriminalistischen Untersuchung gebracht, die uns bis zum Schluss gespannt sein lässt auf die Auflösung der gesamten Bildkomposition, wie sie überraschender nicht sein könnte und so in der gesamten Kunstgeschichte bisher noch nicht gesehen wurde.
Mehr sei hier nicht verraten – nur so viel, dass man von dieser Art der Bildbetrachtung nicht nur unerhört viel lernen kann im Hinblick auf die Genauigkeit der Beobachtung sowie der Hinzuziehung ikonographischer Bezüge und Deutungen, sondern ganz nebenbei auf spannendste Weise und im besten Sinne unterhalten wird, was sich wohl nur von ganz wenigen literarischen Kunstbetrachtungen sagen lässt.
Quelle: Die Drei, Heft 6, 2018