Anthroposophie

Anthroposophie

Text: Rudolf Steiner, Das Johannesevangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien

von Margarethe Hauschka |

Abbildung: Margarethe Hauschka, Irisches Kreuz, Aquarell, Text: Rudolf Steiner, Das Johannesevangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, GA 112, Zwölfter Vortrag, Kassel, 5. Juli 1909 Sprachkunstkarte Doppelkarte DIN-A-5, Hochformat


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Abbildung: Margarethe Hauschka, Irisches Kreuz, Aquarell

Text: Rudolf Steiner, Das Johannesevangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, GA 112, Zwölfter Vortrag, Kassel, 5. Juli 1909


Das «Irische Kreuz» von Margarethe Hauschka – eine kleine Bildbetrachtung

Dagmar Brauer

Wiederholte liebevolle Betrachtung grosser Kunstwerke prägt uns kosmische Kräftestrukturen auf, und auch die «uns ewig im Gemüte stehenden» Bilder religiösen Inhaltes prägen dem Ätherleib ihren heilenden Bildekraftgehalt auf und machen ihn gesünder. Margarethe Hauschka (1)

Sich einer Bildbetrachtung hinzugeben, gleicht einem staunenden Wahrnehmen, ist ein Fragen mit den Augen, mit dem Herzen, ist ein Suchen nach Erkennen und Verstehen, ist ein Zusammentragen von Aufschlüssen und Antworten. Was uns zunächst als ein künstlerischer Gesamteindruck, als ein Hauptmotiv gewahr wird, zerstäubt durch längeres, wiederholtes und genaues Anschauen in einzelne Aspekte. Diese können unsere Wahrnehmung bereichern und vertiefen, uns in eine kulturelle und auch persönliche Beziehung zu dem Bildwerk bringen. Manches Mal kann ein Bild solch eine Magie entfalten, dass es Teil unseres intimen, seelisch-geistigen Kompasses wird. Ja, es kann einen derart inspirierenden Eindruck hinterlassen, dass es zum Lebensleitbild wird.
Gemeinsame Betrachtungen von Meisterwerken – insbesondere der christlichen Kunst – werden in der künstlerischen Therapie dann angeboten, wenn der kranke Mensch Interesse äussert. Warum sind es vor allem Bilder aus der christlichen Kunst? Weil schwerkranke Menschen häufiger das Bedürfnis entwickeln, ihrem individuellen Wesentlich-Werden – in Freiheit, künstlerisch, experimentell – nachzugehen. Eine als weise und sich offenbarend erlebte Bildsprache kann Erinnerungen an ein geistiges Heimatgefühl regsam werden lassen.

Wer war die Malerin des «Irischen Kreuzes»?
Margarethe Hauschka-Stavenhagen – geboren am 6. August 1896 in Hamburg, gestorben am 7. Juli 1980 in Bad Boll – war anthroposophische Ärztin, Masseurin und Heileurythmistin. Sie zeichnete und malte seit Jugendtagen, war hierin gefördert durch ihre Tante Anna May, eine ausgebildete Malerin. Schon zwischen 1925 und 1927 malte und plastizierte Dr. Margarethe Hauschka neben ihrer ärztlichen Tätigkeit mit den Patienten in der Friedrich Husemann-Klinik im Schwarzwald, ab 1927 im Klinisch-therapeutischen Institut Arlesheim und in seiner Dependance im Tessin unter der Leitung von Dr. Ita Wegman. Später gründete Margarethe Hauschka in Bad Boll eine eigene Ausbildungs-stätte und bis wenige Tage vor ihrem Lebensende unterrichtete sie die künftigen künstlerischen Therapeuten.2 – Das folgende Bild, das wir nun betrachten wollen, ist undatiert, wohl in Bad Boll entstanden und ganz sicher die künstlerisch-hingebungsvolle Wiedergabe eines Themas, dem sie sich in persönlichster Weise verbunden fühlte.(3)

Was können wir auf dem Bild sehen?
Das Aquarellbild zeigt ein Irisches Hochkreuz am Rande eines Wäldchens, vor dem ein sanft bewegter Pfad vorbeizieht. Helle und warme Farbtöne fluten am Himmel und auf dem Weg – Goldgelb, Gelb-orange, helles Zinnober und Karmin. Sie weisen auf eine Farbenstimmung, wie sie sich am Spätnach-mittag eines Sommertages zeigen kann. Als flammende Aura umgeben die grünen Farben der Bäume und Büsche das Keltenkreuz, ein strahlendes und strebendes, ein elementarisches Geschehen um die Kreuzesbalken herum.
Feine Kontraste wirken bei längerem Hinsehen: Die nach rechts und oben strebende Dynamik der Umgebung – eine zukunftsgerichtete Bewegung – die unbedingte Aufrichte des Kreuzes als Besinnung auf die Gegenwart und der malerische Ausdruck eines sakralen Kulturelementes des Frühmittelalters als vergangenheitsbetonte Erinnerung. Auch die wogende Natur, die durchsonnte Luft und das ruhig und fest stehende Kreuz wirken gegensätzlich.
Gibt es farbliche Kontraste? Das Bild ist ganz überwiegend in goldgelben und smaragdgrünen Farb-tönen ermalt. Gold und Viridian bilden kein klassisches Farbkomplementär, sondern bergen ein Farbengeheimnis, das wir experimentell nachschaffen können: Halten wir ein Stück Blattgold mit einem Löchlein in das Sonnenlicht, bildet sich an dieser Öffnung ein Smaragdgrün! Kein Blau, wie wir es als Komplementärfarbe von Gelb oder Goldgelb erwartet hätten. Gold und Smaragdgrün stehen offenbar in besonderer Beziehung zueinander.
Das Kreuz steht uns in standhafter Feierlichkeit wie gegenüber. Doch wo befindet sich bei genauerer Wahrnehmung der Betrachtende? Die Bildperspektive weist uns einerseits in die Position, wie von unten auf das Kreuz hinauf zu blicken und andererseits scheint es möglich, von oben auf das Kreuz herab zu blicken. Wie ist das möglich? Es gibt einige Meisterwerke in der klassischen Malerei, deren Schöpfer solch ein perspektivisches Wunder anlegen konnten, wie Hans Holbeins «Darmstädter Madonna».
Das Irische Kreuz steht ganz für sich, einsam und scheint dennoch mit der umgebenden Landschaft in einer Verbindung zu sein, insbesondere mit dem lodernden Blätterwerk der hinter ihm stehenden Vegetation.(4) In diesem ätherisch-meteorologischen Umraum behauptet das Kreuz wie selbstver-ständlich seinen Stand. Ein sehr seelenvoller Bildausdruck! Wie auch der Mensch durch seinen Leib zunächst für sich auf die Erde gestellt ist, sucht er sich in Beziehung zu setzen mit seiner Umwelt und zu seinen Mitmenschen.
Wir sehen hinter dem Kreuzessockel eine leicht geschwungene grüne Horizontale durch das Bild ziehen, die den goldenen Schnitt des Bildes markiert und es dadurch harmonisch aufteilt. In der künstlerischen Ästhetik ist Harmonie ein Merkmal des Schönen: Zusammenstimmung der Farben, Maße, Bewegungen.

Was können wir durch das Bild empfinden?
Das Bild strahlt neben seiner motivischen Schwere auch eine Leichtigkeit aus. Es ist das aufstrebende warme Sonnenlicht, das diese Empfindung unterstützt. Auch die Transparenz der Farben, der sichtbar «atmende Pinselstrich», in dem das Aquarell ausgeführt ist. Die Kraft der Leichtigkeit ist verknüpft mit der Sonne. Es ist diejenige Kraft, die bewirkt, dass das Wasser von der Erde aufsteigt und verdunstet. Rudolf Steiner weist darauf hin, dass die Sonnenkräfte mit allem zusammenhängen, was der Mensch in Freiheit aus sich machen kann.(5) Denn: Das Sonnenlicht ist nicht nur physisch, es ist auch seelisch-geistig; als letzteres löst es sich los vom Kosmischen und wurde Ich.(6)
Wie lässt sich der Zusammenhang zwischen der Farbe Gold und dem Sonnenlicht wahrnehmen? Indem wir bemerken, wie das Gold im Licht drinnen ist und wie die einzige Lichtquelle im Kosmos die Sonne ist, und wie das Sonnenlicht und das Gold etwas sehr Wertvolles für den Menschen sind. Beim Golde nimmt man, äusseren Analogien nach, an, dass die Alten [Mysterienlehrer] in dem Golde einen Repräsentanten der Sonne gesehen haben. Das war wahrhaftig nicht bloss ein äusserliches Analogiespiel, dass man die Sonne als etwas Wertvolles am Himmel und das Gold als etwas Wertvolles auf der Erde angesehen hat.(7)

Literatur
(1) Margarethe Hauschka: Zur Künstlerischen Therapie, Band I. Bad Boll 2000, S. 93
(2) Siehe auch Irmgard Marbach: Margarethe Hauschka. Ein Lebensbild. Bad Boll 1995
(3) Eine Reproduktion des «Irischen Kreuzes» gibt der Marie Steiner Verlag als Sprachkunstkarte im DIN A5-Format heraus
(4) Siehe auch Bastiaan Baan: Der Herr der Elemente. Naturwesen in christlicher Sicht. Stuttgart 2006
(5) Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. GA 239. Dornach 1983, S. 70
6 Ders.: Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. GA 140. Dornach 2003, S. 153
7 Ders.: Mysteriengestaltungen. GA 232. Dornach 1998, S. 169

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