Dimensionen der Heilpädagogik
von Bernhard Schmalenbach (Hg.) | 01.01.1970
Entwicklungsbegleitung, Gemeinschaftsbildung und Inklusion | Festschrift für Rüdiger Grimm. Mit Rezension!
EAN 9783723515716
Hersteller: Verlag am Goetheanum
Das Aufgabenfeld der Heilpädagogik als integrative Humanwissenschaft, als Praxis der Entwicklungsbegleitung und der Teilhabeförderung ist weit gespannt: Es umfasst die Erarbeitung von Grundlagen und Methoden, des Selbstverständnisses und des gesellschaftlichen Ortes heilpädagogischen Handelns. Der vorliegende Band versammelt eine Fülle Beiträge aus unterschiedlichen Themen und Arbeitsfeldern der Heilpädagogik: Anregungen zur Praxis, Erkundungen zur Geschichte der Heilpädagogik, zu Gemeinschaftsbildung und Inklusion im Dialog von Theorie und Praxis und aus unterschiedlichen Perspektiven, auch solchen der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie. 23 Autorinnen und Autoren geben Erfahrungsberichte und Denkanstöße für diese, Rüdiger Grimm gewidmete Festschrift.
Rezension
»Das Aufgabenfeld der Heilpädagogik als integrative Humanwissenschaft, als Praxis der Entwicklungsbegleitung und der Teilhabeförderung ist weit gespannt«, schreibt der Herausgeber Bernhard Schmalenbach: »Es umfasst die Erarbeitung von Grundlagen und Methoden, des Selbstverständnisses und des gesellschaftlichen Ortes heilpädagogischen Handelns. Der vorliegende Band versammelt eine Fülle Beiträge aus unterschiedlichen Themen und Arbeitsfeldern der Heilpädagogik: Anregungen zur Praxis, Erkundungen zur Geschichte der Heilpädagogik, zu Gemeinschaftsbildung und Inklusion – im Dialog von Theorie und Praxis und aus unterschiedlichen Perspektiven, auch solchen der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie.«
Festschriften sind oft Elogen über die gefeierte Persönlichkeit. Rüdiger Grimms langjährige verdienstvolle Tätigkeit wird in ›Dimensionen der Heilpädagogik‹ gewürdigt, aber das Fest, das die AutorInnen hier feiern, ist hauptsächlich inhaltlicher Natur. Die Beiträge lassen das begeisternd weite Ausmaß des Feldes der Heilpädagogik erahnen, die hier nicht als Fachwissenschaft im engeren Sinne, sondern tatsächlich als Humanwissenschaft aufscheint. Möglicher Beliebigkeit entgeht das 357 Seiten starke Buch auch dadurch, dass alle Themen dieser Publikation durch das biografische Band der eindrucksvollen Vielfalt der Interessen und Arbeitsgebiete des Jubilars zusammengehalten werden. So wird im Gegenzug wiederum die Weite und Tiefe seines Schaffens erlebbar, das das Feiern eines Festes begründet.
Weil der Umfang der von 23 Autoren geschriebenen Beiträge ein Eingehen auf die Inhalte im Rahmen einer Buchbesprechung unmöglich macht, soll stellvertretend ein zentraler Aspekt hervorgehoben werden, der sowohl für Grimms Arbeitsbiografie als auch für die Entwicklung der Heilpädagogik in den vergangenen Jahrzehnten prägend war: das Dilemma ihres Wissenschaftlich-Werdens. So fragt sich Ferdinand Klein in seinem Aufsatz ›Heilpädagogik im Epochenumbruch‹ skrupulös: »Bin ich durch meine Autismus-Forschung im Handeln wirklich weitergekommen? Oder ist mir das Phänomen Autismus stattdessen vielleicht weiter entrückt?« Hilft die Auseinandersetzung mit Theorien in der therapeutischen Begegnung mit dem Kind, dem erwachsenen Menschen mit Behinderung tatsächlich oder schafft die Objektivierung nicht eine zusätzliche Distanz? Und wie wäre diese zu überwinden? Es ist das bekannte Theorie-Praxis-Dilemma, das aber in der Profession der Heilpädagogik besonders prekär auftritt, weil ich durch die Konstituierung meiner seelischen Gestimmtheit direkt wirksam werde: Ich bin mein eigens Instrument. Das macht Klein am Herbartschen Grundbegriff des »pädagogischen Takts« deutlich: »Die Bildung des pädagogischen Takts hat zwei Voraussetzungen: eine längere Praxiserfahrung und die habituell gewordene Vertrautheit mir den Grundsätzen und Regeln der Theorie.« Klein löst dieses Dilemma durch die Kantsche Erfahrungserkenntnis auf und schreibt: »Diese Erkenntnisart wendet sich gegen die Verschulung des Geistes und ermöglicht es, pädagogische Sachverhalte zu verfeinern. Die in der Praxis tätigen Menschen werden so in die wissenschaftliche Verantwortung eingebunden. Dadurch wandelt sich wie von selbst ihre rezeptive Konsumhaltung gegenüber dem Wissen in ein aktives Interesse und neugieriges Fragen.«
Die Autor/Innen dieses Bandes waren und sind Weggenossen Rüdiger Grimms. Alle 23 Beiträge sind Zeugnis dieses je individuell ausgeübten aktiven Interesses und neugierigen Fragens. Wenn sich die LeserInnen davon zu eigenem Fragen anregen lassen, wird diese Schrift tatsächlich zum weiterwirkenden Fest!
Quelle: Die Drei, Heft 3, 2017
Seiten: 360, m. teils farb. Abb.
Format: H 23 cm / B 15,8 cm / 700 g
Einbandart: kartoniert