»Die objektive Entwicklung ist den Menschen des 19. Jahrhunderts, des 20. Jahrhunderts … über den Kopf gewachsen. Und die Zeiterscheinungen zeigen dieses Über-den-Kopf-Wachsen in allerintensivster Weise.«
Originalton Rudolf Steiner, dessen Todestag sich 2025 zum 100. Mal jährt. Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass er hier genauso gut über unsere Gegenwart sprechen könnte, die sich mit ihrem unbedingten Glauben an die Macht der Technik an Steiner reibt wie nie zuvor. Was vor allem eines zeigt: Nach mehr als 100 Jahren gehört der Gründer der Anthroposophie zu den weltweit wirkmächtigsten Denkern, und er rief von Anfang an beides hervor: glühende Verehrung und empörte Kritik. Dass auch ein Dazwischen möglich ist und was Rudolf Steiner unserer Zeit zu sagen hat, zeigt der ausgewiesene Steiner-Spezialist Wolfgang Müller, der Steiner und sein Werk von heute aus neu befragt.
Wer war Rudolf Steiner? Was trieb ihn an? Was waren die Themen, die er mit so außerordentlicher Intensität verfolgte? Auch die Kritik an ihm kommt ausführlich zur Sprache, vor allem aber Steiners bedeutende Impulse für eine dringend notwendige Neuorientierung der Gegenwartskultur.
Angaben zum Autor
Wolfgang Müller, 1957 in Heidelberg geboren, lebt in Hamburg und war bis 2020 Redakteur für Zeitgeschichte beim ›Norddeutschen Rundfunk‹. Er veröffentlichte auch in zahlreichen Zeitungen zu politischen und kulturgeschichtlichen Themen. Zur Anthroposophie verfasste er u. a. Artikel für ›Die Zeit‹, ›taz‹ und ›Welt‹ sowie sein vielgelesenes Buch »Zumutung Anthroposophie« (Frankfurt a. M. 2021). Zu Rudolf Steiners 100. Todestag legt Wolfgang Müller jetzt sein neues Buch vor, das Steiner und sein Werk von heute aus neu befragt.
Rezensionen
»Ein Buch über Rudolf Steiner und die Anthroposophie, das auch deren Verächtern Bedenkenswertes zu sagen hat.«
Rüdiger Safranski
Buchbesprechung
Das Rätsel Rudolf Steiner
Irritation und Inspiration - Wolfgang Müller
Der Medienjournalist Wolfgang Müller - der nie in einem anthroposophischen Zusammenhang tätig gewesen ist und insofern ein "Aussenseiter“ - legt ein neues Buch vor, welches in verschiedener Hinsicht sehr zu empfehlen ist.
Zum einen als Einstieg und als Information für Menschen, welche bisher vielleicht nur flüchtige - seien es positive oder negative - Berührungen mit der Anthroposophie hatten; nicht weniger aber auch für "gestandene Anthroposophen", die schon alles gelesen haben. Letztere werden nichts Neues erfahren, treffen hier aber auf brillante Formulierungen, welche eine neue Beleuchtung der vor über 100 Jahren gemachten Aussagen Rudolf Steiners, besonders auch für unsere Zeit darstellen.
Sein Bedauern über den Tatbestand, dass anthroposophie als Kulturfaktor aufs Ganze gesehen in einer Nische geblieben ist, ja in den achtziger Jahren hier sogar schon weiter war, kommt nicht larmoyant daher, sondern im Aufzeigen der damit verbundenen Tragik.
In acht Kapiteln - beginnend mit dem „Kern der Anthroposophie“ bis zu „Werden Sie Genies an Interesse!“ (R.St.) - wird der ganze Kosmos in einem kleinen Buch mit 230 Seiten in herausragender Lesbarkeit, ausgeleuchtet.
Herausgegriffen sei etwas aus dem Kapitel: Mensch und Technik. Die Ausführungen zu den kulturbestimmenden Faktoren: Transhumanismus, Internet, KI, Chat CPT usw. in "anthroposophischer Beleuchtung" sucht in der Prägnanz seinesgleichen.
Die dahinter stehenden ahrimanischen Mächte werden benannt und eingeordnet, aber ganz im Sinne R. Steiners, nicht mit dem Ziel, sie zu bekämpfen, sondern zu erkennen und ihnen etwas entgegen zu setzen. Für die Einordnung dieser uns auf Schritt und Tritt umgebenden "Kultur" sehr hilfreich, erscheint mir hier auch die kurze Charakterisierung der Protagonisten, die - ob bewusst oder unbewusst - die Zusammenschmiedung von Mensch und Technik vorrangig in den Medien vertreten. Mit diesem Hintergrund liest man Beiträge von oder über: Yuval Noah Harari, Ray Kurzweil, Marvin Minsky, aber - wenn auch in einer etwas anderen Kategorie – über Elon Musk mit einem erweiterten, wirklichkeitsgemässen Verständnis. Das Hauptziel von Elon Musk, über einen Chip im Gehirn die entsprechende Zusammenschmiedung zu erzielen, hat unverkennbar Anfangserfolge. (Diese ganze Entwicklung - zusammengefasst in dem Begriff des Transhumanismus - wurde bekanntlich in seiner Grundtendenz von R. Steiner ja auch vorausgesagt.)
Die an anderer Stelle gemachte Aussage des Autors: Anthroposophie ist eine Weltangelegenheit, nicht Privatsache. Ihr gegenüber sollte man sich in einer "dienenden" Rolle verstehen - ist der Hintergrund des Ausgeführten. Dienend wohl auch in dem Sinne gemeint, sich um ihre wahrlich nicht immer leichte Erarbeitung tatkräftig zu bemühen (in einem vorausgegangenen Buch schreibt er von "Zumutung") und das Erarbeitete in sein Leben mit seinen vielfältigen Aufgabe einfließen zu lassen.
In der bestehenden Situation, in welcher seit der Jahrtausendwende, in der Gesellschaft - teilweise auch von ihren Funktionären - gelegentlich ein sehr zweifelhafter, relativierender Umgang mit der überragenden Aufgabe und Bedeutung Rudolf Steiners - ohne Gegendarstellung durch die hierzu Berufenen -, zu beobachten ist, könnte folgende Hoffnung erwachsen: Die ab der Jahrtausendwende von Rudolf Steiner vorausgesagte und erhoffte "Kulmination" der Anthroposophie, muss sich nicht nur in der Anthroposophischen Gesellschaft abspielen und erkennbar werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist diese "Aussendarstellung" ein Gewinn.
- Johannes Hoffmann in Ein Nachrichtenblatt Nr. 13/2025
Leseprobe
»Dieses Buch erscheint einhundert Jahre nach Rudolf Steiners Tod. Es nähert sich ihm von heute aus, mit den Fragen der Gegenwart, aber auch mit der klaren Wahrnehmung, dass Steiners Gedanken und Anschauungen eine Relevanz auch für unsere Zeit und sogar weit in die Zukunft haben. … Meine Art, mich diesen Themen zu nähern, mag dabei gelegentlich etwas unkonventionell und unbekümmert sein. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, ja es kann sogar unterstreichen, dass es hier um ernste, große, menschheitliche Fragen geht.«