Gnosis als Luziferische Weisheit
Laut Rudolf Steiner handelt es sich bei der Gnosis um eine luziferische Weisheit, da sie nach einer verfrühten Entwicklung der Menschheit zum Geistigen hin strebt, ohne wichtige Entwicklungsmöglichkeiten auf der Erde mitzunehmen:
"Wenn die älteren christlichen Lehrer noch Nachklänge der alten hellseherischen Begriffe anwandten, um das Mysterium von Golgatha zu erfassen, so blieben natürlich diese hellseherischen Begriffe ihrem eigentlichen Nerv nach den späteren Jahrhunderten unverständlich, und im Grunde genommen ist das, was man Gnosis nennt, gewöhnlich nichts anderes als das Nachklingen alter hellseherischer Begriffe. Man versuchte, mit alten hellseherischen Begriffen das Mysterium von Golgatha zu begreifen, und hellseherische Begriffe verstand man später nicht mehr, nur abstrakte Begriffe. Daher verkannte man dasjenige, was die Gnosis eigentlich wollte.
Nun würde man aber die Sache sehr einseitig ansehen, wenn man einfach sagen würde: Da gab es also eine Gnosis, die hatte noch alte hellseherische Begriffe, die noch bis ins 1., 2., 3. Jahrhundert nach dem Mysterium von Golgatha hereingingen, und dann kamen die unverständigen Leute, die nicht fähig waren, die Gnostiker zu verstehen. - Das wäre sehr einseitig, so zu denken. In einem gewissen vollkommenen Sinne mit hellseherischen Begriffen zu arbeiten, gehört einer viel älteren Zeit an als der Zeit, in die das Mysterium von Golgatha hineinfiel, einer viel älteren Zeit. Und diese hellseherisch erfaßten Begriffe waren schon ganz luziferisch infiziert, das heißt: das alte hellseherisch-begriffliche Erfassen war schon luziferisch durchdrungen, und diese luziferische Durchdringung des alten hellseherischen Begriffssystems, das ist die Gnosis. Es mußte deshalb eine Art Reaktion gegen die Gnosis entstehen, weil die Gnosis eben die aussterbende alte hellseherische Begriffswelt war, die schon von Luzifer infizierte alte hellseherische Begriffswelt."
– Rudolf Steiner, Die geistige Vereinigung der Menschheit durch den Christus-Impuls, GA 165, S. 201f
Gnosis und Anthroposophie
Die Anthroposophie unterscheidet sich insofern von der Gnosis, als dass sie die naturwissenschaftliche Methode und Beobachtung zum Erkenntnisgewinn voraussetzt (Bewusstseinsseele), während die Gnosis eine "aus alter Zeit bewahrte Erkenntnisart" (Rudolf Steiner), nämlich der ägyptisch-chaldäischen Zeit, ist, die nach dem hellsichtigen Erkenntnisgewinn (Empfindungsseele) hin orientiert war.
"Die Anthroposophie kann nicht eine Erneuerung der Gnosis sein, denn diese hing an der Entfaltung der Empfindungsseele. Anthroposophie muß im Lichte der Michael-Tätigkeit aus der Bewußtseinsseele heraus ein Welt- und Christus-Verständnis auf neue Art entwickeln. Die Gnosis war die aus alter Zeit bewahrte Erkenntnisart, die das Mysterium von Golgatha bei seinem Eintritte am besten zum Menschenverständnisse bringen konnte."
– Rudolf Steiner - Anthroposophische Leitsätze, GA 26, S. 212
"Derjenige, der nun wirklich eingeht bloß auf das, was in diesen Vorträgen geboten worden ist, der wird gar nicht in die Versuchung kommen, wenn er andererseits die Gnosis auch kennt, diese Anthroposophie, die durchaus mit neuen Erkenntnismitteln und Erkenntnismethoden auftritt und mit dem Bewußtsein der Menschheit der Gegenwart rechnet, irgendwie zusammenzuwerfen mit der Gnosis. Diese Anthroposophie arbeitet ja so, daß sie voraussetzt die naturwissenschaftliche Entwickelung der letzten Jahrhunderte. Die Gnosis rechnete natürlich nicht damit, denn ihr Dasein ging der naturwissenschaftlichen Entwickelung voraus."
– Rudolf Steiner - Damit der Mensch ganz Mensch werde, GA 82, S. 202f
Hauptmerkmale der Gnosis
Die Lehren der Gnostiker wurden hauptsächlich im Verborgenen, nicht öffentlich, verbreitet. Daher ist eine genaue Bestimmung der Lehren auch nicht einfach, zumal es viele verschiedene Strömungen innerhalb der Gnosis gibt.